Clemens Wilmenrod habe ich im damaligen Fernsehen nicht miterlebt. Der Grund: in unserem Haus gab es keinen Fernseher. Als der dann Mitte oder Ende der 60er Jahre auch bei uns, im letzten fernsehfreien Haushalt der Straße Einzug hielt, waren auch damals schon Kochsendungen angesagt. Ich selbst kann mich daran nicht mehr erinnern. Erinnern kann ich mich aber an den Tag, als meine Eltern nach einer solchen Sendung sich gemeinsam ans Werk machten, das Gesehene und Gehörte in die Tat umzusetzen. Das war neu! Mein Vater war bis dahin über Bratkartoffeln und Spiegeleier nicht hinausgekommen, und jetzt das: das sah ganz so aus, als sei Kochen doch vielleicht mehr, als nur die Familie mit Nahrung zu versorgen. Coq flambé.
Man nehme: ein Brathähnchen, zwei Zwiebeln, zwei Möhren, Petersilie, Thymian, ein Lorbeerblatt, Salz, Pfeffer Butter und schließlich einen ordentlichen Schluck trockenen Weißwein. Der war zu der Zeit in einem ostwestfälischen Haushalt eher selten anzutreffen, aber in diesem Punkt waren meine Eltern der Zeit ganz klar voraus 😉
Beim Einkauf geht es bei uns inzwischen sehr regional und möglichst nachhaltig zu. Die Hähnchen, die wir hier üblicherweise direkt vom Bauern bekommen liegen meist bei ca. 3 kg. Für unser Vorhaben eindeutig zu groß. Der Citti-Markt hilft beim Blick über die Grenzen: Aktionswoche, es gibt französische Maishähnchen, Label Rouge (Freilandhaltung, sehr hohe Auflagen). Kann man mit gutem Gewissen kaufen. Unseres hat heute 1100 g und schließlich hat unser Rezept ja einen eindeutig französischen Ursprung.
Der Einkauf. Es fehlt die Petersilie. Die war kurz vor Feierabend frisch nicht mehr zu bekommen, also muss die tiefgekühlte herhalten.
Nachdem Flügel, Hals und Bürzel abgetrennt sind, kommt der Vogel auf den Drehspieß des Backofens, wird mit flüssiger Butter bepinselt, gesalzen und gepfeffert, und dann geht’s bei 170° für 45 Minuten in den Ofen. Umluft.
Die abgetrennten Hähnchenteile in Butter anbraten. Das spritzt ein wenig, gibt aber schöne Aromen. Zwiebeln und heute mal auch etwas Knoblauch dazu. Salzen und pfeffern. Thymian und Lorbeeblatt zugeben. Zum Schluss die Möhren, mit Wein ablöschen und geschlossen 25 Minuten bei kleiner Hitze schmoren. Gegen Ende der Garzeit kommt noch die Petersilie dazu.
Inzwischen sind auch die Baguettes fertig, und wir kommen zum Höhepunkt:
Der Hahn wird auf das Gemüse gesetzt und mit Cognac (Weinbrand) flambiert. Und obwohl mein Vater nie studiert hat, gehörte es zum Ritual, dass er dabei aus voller Brust das alte Studentenlied schmetterte: “Aus Feuer ward der Geist geschaffen…”
Dieser Beitrag erscheint anlässlich des ZEIT Kochtags 2016, einem bundesweiten Aktionstag am 22. April, der Menschen dazu anregen soll, selbst zu kochen und sich mit ihrem Essen bewusst auseinanderzusetzen.
REZEPT Coq flambé