Und jeder hat irgendwelche Assoziationen, wie das so ist mit dem Kochschinken. Neben dem Analogkäse steht der Kochschinken in der ersten Reihe, wenn es um dubiose Machenschaften bei der Herstellung und Vermarktung eines Lebensmittels geht. Jeder hat Beiträge aus Rundfunk und Presse zu diesem Thema im Hinterkopf, und deswegen werde ich das an dieser Stelle nicht weiter breittreten. Ich selbst denke darüber gar nicht mehr so viel nach, denn ich habe eine Lösung parat: DIY.
Eine kleine Grundausstattung ist erforderlich, bei der sich aber viel improvisieren lässt. Im Idealfall hat man eine Kochschinkenform und ein Sous-vide-Gerät. Dann ist es am einfachsten. Ich für mein Teil besitze ein Vakuumiergerät, einen Wecktopf und eine Rolle Paketband. Damit kann man auch klarkommen. Und dann braucht man eine geeignete Spritze. Ich habe mal durch Zufall eine Lakespritze von Rösle in die Finger bekommen. Ansonsten muss man kreativ sein. Beim Apotheker bekommt man Spritzen, allerdings nur mit Glück in ausreichender Größe. Vor allem bei den Nadeln wird’s eng. Die sollten nicht zu fein sein. Beim Tierarzt, besonders, wenn auch Großvieh zu den Patienten zählt, ist man eher an der richtigen Adresse. Wohl dem, der einen Tierarzt kennt, oder einen kennt, der einen Tierarzt kennt…
Es geht los. Der Weg führt zum Schlachter des Vertrauens. Ein Stück aus der Schulter soll’s sein, die Bugspitze. Gut 2 kg schwer. Damit geht’s nach Hause und als erstes wird eine Salzlake angesetzt. Ich rechne 3 Liter. Also 3 Liter Wasser zum Kochen bringen, nach Belieben eine geviertelte Zwiebel, 1 angequetschte Knoblauchzehe, ein paar weiße Pfefferkörner und ein Lorbeerblatt zugeben, außerdem 300 g Nitritpökelsalz (vom Schlachter) und 60-75 g Rohrohrzucker. Damit ist die Lake 10 %ig. Je nach Geschmack reichen evtl. auch 9 %. Das muss man ausprobieren. Eine Weile kochen, dann auf Zimmertemperatur abkühlen lassen. Für die Pökellake sollte man immer Nitritpökelsalz verwenden. Nimmt man z. B. Meersalz, wird der Schinken grau, da keine Umrötung erfolgt und er schmeckt nicht. Ich habe solchen Schinken probiert.
Im nächsten Schritt wird Lake in das Fleisch injiziert. Immer wieder, die Einstichstellen nicht zu weit auseinander, damit eine gute Verteilung erfolgt. Unser Fleischstück soll bei dieser Prozedur um 20%, evtl. sogar noch etwas mehr an Gewicht zunehmen. Das kontrolliere ich mit der Waage. Der Schinken kommt jetzt in ein geeignetes Gefäß und die restliche Lake wird zugegeben, so dass er damit bedeckt ist. Dann geht’s für 3 Tage in den Kühlschrank.
Als nächstes wird die Lake abgegossen, der Schinken abgetrocknet, und wenn man eine Möglichkeit dazu hat, für einen Tag zum Abluften an einem kühlen Ort aufgehängt. Das ist aber nicht zwingend erforderlich. Genausowenig wie das optionale Räuchern. Heißräuchern für 1 Stunde bei max. 80°, geht bei entsprechender Erfahrung auch im Weber-Grill! Unser Schinken bleibt ungeräuchert und wird als nächstes vakuumiert. Dann verschnüre ich das Paket stramm mit Paketband und drücke es dabei so gut es geht in Quaderform.
Jetzt wird gemessen. Die kürzeste Seite unseres “Quaders” bestimmt die Kochzeit. Eine Stunde je 4 cm. Bei 10 cm wären das 2 1/2 Stunden. Bei möglicht genau und konstant 78°. Stellradanzeige und tatsächliche Temperatur können beim Wecktopf voneinander abweichen. Deshalb ist ausreichend langes Vorheizen und Temperaturkontrolle mit einem Thermometer erforderlich. Der Schinken kommt ins heiße Wasser, und der Topf hält die Temperatur dann recht konstant. Es ist ratsam, zwischendurch die Temperatur zu kontrollieren. Eine weitere Möglichkeit wäre, den Backofen zu nehmen: heißes Wasser in einen ausreichend großen Topf, Backofen auf 80° usw. Wichtig ist, den Schinken nicht länger als nötig zu garen. Je genauer man den Punkt trifft, desto besser.
Ausgepackt. Die Falten kommen vom Schnüren. In einer Form wird die Oberfläche glatter. So ist es aber immerhin besser, als wenn man das Schnüren mit einem Faden macht, wie es an einigen Stellen beschrieben wird. Als nächstes geht’s ans Schneiden. Eine gute Gelegenheit, eine weitere Mitarbeiterin vorzustellen. Eine ganz wichtige, die Königin unter den Maschinen in meiner Küche. Ihr Name: Bizerba! Für wenig Geld, alt und verstaubt, von einem Freund erstanden, für viel Geld von einem Fachmann im Nachbardorf runderneuert und instandgesetzt, mit neuem Messer, steht sie jetzt in neuem Glanz in unserer Küche und schneidet alles, was kommt.
So sieht er dann aus. Selbst hergestellter Kochschinken, wie gewachsen, nicht manipuliert, geschnitten von Bizerba: ALLERBESTER KRAM!
28. Februar 2017 um 14:02
Hallo, super Anleitung. Ich habe ein Rezept für Kochschinken mit Wildkeule. Im offenen Topf (ohne Vakuumbeutel) wurde er recht trocken. Wie sieht das denn mit den SV-Garzeiten bei Reh oder Wildschwein aus? Unterscheiden sich die? Und noch eine Frage: Ab wann messen Sie die Garzeit? Direkt ab dem Einlegen des Fleischs (da geht die Wassertemperatur ja erstmal runter) oder erst wenn die Temperatur von 80 Grad erreicht ist?
Beste Grüße in den Norden aus Ko
Gerd
28. Februar 2017 um 15:23
Moin, moin!
Die Zeit messe ich ab dem Einbringen ins heiße Wasser. Bei entsprechend großer Wassermenge (Wecktopf) ist der vorübergehende Temperaturabfall sicher ohne Bedeutung. Im Sous-Vide-Gerät würde ich aufgrund der kleineren Wassermenge allerdings Zeit zugeben, bzw. messen ab Wiedererreichen der eingestellten Temperatur.
Wildschwein-Kochschinken habe ich noch nicht gemacht, würde aber mit den gleichen Zeiten arbeiten.
Zum Reh kann ich nichts sagen. Einen Kochschinken würde ich da aber auch nicht machen wollen, sondern lieber z.B. eine Keule trocken pökeln und räuchern.
Ich hoffe, die Info hilft weiter.
Herzliche Grüße nach Koblenz, der Stadt mit dem “besten Steakaus des Universums” – Originalton des Inhabers 😉
Tilo
1. März 2017 um 19:37
Moinsen,
aaaaalso, da sich die Keule schon in der Lake suhlte, war ein Umschwenk auf Wildsau nicht mehr möglich. Die Rehkeule war am Rand perfekt, in der Mitte zu weich. Geschmacklich klasse, aber die Konsistenz in der Mitte ist dann nicht die echte Gaumenfreude (erinnert an Leberwurst ). Offenbar zu lang im Wasser. Kein allerbester Kram , aber ausbaufähig (wobei ich künftig wieder Wildsau nehmen würde). Uneingeschränkt zu empfehlen: der Tipp mit dem Paketband!
Das Buffalo:
Kurzum: Künftig frag ich früher – und morgen gibt’s Hühnersuppe a la Tilo.
Herzliche Grüße
Gerd
2. März 2017 um 8:53
Das mit dem Wildschwein würde mich hinsichtlich der Garzeit interessieren…
31. Januar 2015 um 17:22
Ach und übrigens, um die Bizerba beneiden wir dich sehr! Das ist unser Traum so eine einmal zu besitzen…
31. Januar 2015 um 20:28
Ich wüsste eine Adresse. Hier vor Ort. 🙂
31. Januar 2015 um 17:20
Super Rezept! Das müssen wir unbedingt mal ausprobieren. Und da wir eine Sous vide Funktion im Backofen haben müsste das damit ja ganz gut gehen, oder?
Lieben Gruße aus dem tiefen Süden 😉
31. Januar 2015 um 20:25
Ich kann das nur empfehlen. Mit ein bisschen Tüfteln bekommt man ihn auch geschmacklich so hin, wie man es von einem guten Kochschinken von einem guten Schlachter erwartet.
Beste Grüße aus dem hohen Norden
Tilo